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Facharzt-Paradoxon: Wenn Qualifikation auf Praxisrealität trifft

Der Ärztemangel ist allgegenwärtig – und doch gibt es HNO-Fachärzt*innen, die keine Anstellung finden. Wie passt das zusammen? Ein Blick in die Realität niedergelassener HNO-Praxen zeigt: Zwischen Qualifikation, Vergütung und Versorgungsalltag klafft eine Lücke. Das sogenannte Facharzt-Paradoxon bringt Herausforderungen mit sich – für Praxen, für Nachwuchsmediziner*innen und für die Versorgung insgesamt.

HNO-Fachärzt*innen ohne Stellen – trotz Bedarf?

Auf den ersten Blick wirkt es widersprüchlich – und das ist es auch: Hochqualifizierte HNO-Fachärzt*innen finden keine Anstellung, trotz abgeschlossener Weiterbildung, Spezialisierung und hoher fachlicher Kompetenz. Betroffene berichten von monatelanger, oft erfolgloser Stellensuche oder Angeboten zu deutlich schlechteren Konditionen als erwartet. Gleichzeitig kämpfen viele HNO-Praxen mit Überlastung und Personalmangel – ein Widerspruch, der das Facharzt-Paradoxon auf den Punkt bringt. Doch der Grund ist häufig nicht der fehlende Bedarf, sondern die wirtschaftliche Realität: Während die Gehälter für HNO-Fachärzt*innen zuletzt deutlich gestiegen sind – auf durchschnittlich 65.000 bis 130.000 € jährlich, je nach Region und Erfahrung – blieb die Gegenfinanzierung durch den EBM-Punktwert weitgehend aus. Für viele Praxen sind gut ausgebildete Spezialist*innen finanziell kaum zu stemmen.

Dabei sind angestellte Fachärzt*innen für viele Praxen in der HNO durchaus attraktiv – nicht nur wegen ihrer sofortigen Einsatzfähigkeit, sondern auch aufgrund ihrer eigenständigen Abrechnungsbefugnis und ihrer breiten klinischen Erfahrung. Dass diese Stellen kaum angeboten werden, sorgt für Frustration und birgt die Gefahr, dass hochqualifizierte HNO-Ärzt*innen dem ambulanten Sektor den Rücken kehren.

Weiterbildungsassistent*innen in der HNO: Geförderte Entlastung – mit Aufwand

Angesichts der finanziellen Hürden bei der Anstellung von Fachärzt*innen, setzen viele HNO-Praxen stattdessen auf Weiterbildungsassistent*innen. Diese erhalten ein tariflich geregeltes Gehalt (rund 79.000 € jährlich) – das in vielen Bundesländern mit bis zu 5.800 € monatlich gefördert wird. Ein Vorteil, der die Anstellung finanziell deutlich attraktiver macht.

Doch das Modell hat Grenzen: Weiterbildungsassistent*innen dürfen viele Leistungen nicht eigenständig abrechnen, was den tatsächlichen Entlastungseffekt schmälert. Hinzu kommt ein hoher organisatorischer Aufwand: HNO-Praxen benötigen eine Weiterbildungsermächtigung der Ärztekammer, müssen Supervision gewährleisten und regelmäßige Dokumentation und Feedback sicherstellen. Zudem ist die Beschäftigung zeitlich befristet – die Planungsperspektive bleibt begrenzt.

Zwischen Förderchancen und Formalaufwand: Weiterbildungsermächtigung im Blick

Für Praxisinhaber*innen, die über die Anstellung von Weiterbildungsassistent*innen nachdenken, ist die Weiterbildungsermächtigung eine zentrale Voraussetzung. Der Weg dorthin ist allerdings mit einigen Anforderungen verbunden: Neben der Facharztanerkennung und mindestens zweijähriger Berufserfahrung im Fachgebiet müssen u. a. eine zwölfmonatige Leistungsstatistik, ein strukturiertes Weiterbildungscurriculum und eine geeignete Praxisausstattung nachgewiesen werden. Auch die wöchentliche Arbeitszeit muss für die Weiterbildung voll verfügbar sein – Teilzeitmodelle sind nur im Team möglich.

Es bleibt also die Frage: Rechnet sich dieser Weg? Fördermittel machen das Modell finanziell attraktiv, der organisatorische Mehraufwand erfordert jedoch eine sorgfältige Abwägung – besonders im Hinblick auf langfristige Personalplanung und Versorgungsstabilität.

System unter Druck: Versorgungslücken und Nachwuchsfragen

Ob angestellte HNO-Fachärzt*innen oder Weiterbildungsassistent*innen – beide Modelle haben ihre Berechtigung und bringen jeweils eigene Chancen und Herausforderungen mit sich. Fachärzt*innen sind sofort einsatzfähig, können eigenständig abrechnen und das medizinische Spektrum der Praxis erweitern. Weiterbildungsassistent*innen wiederum bieten die Möglichkeit zur Nachwuchssicherung und werden vielerorts finanziell gefördert – allerdings nur befristet und mit zusätzlichem organisatorischem Aufwand.

Die Entscheidung für eines der beiden Modelle sollte sorgfältig und individuell getroffen werden – je nach Praxisausrichtung, Personalbedarf und wirtschaftlicher Tragfähigkeit. Gleichzeitig zeigt das sogenannte Facharzt-Paradoxon: Strukturelle Probleme im Vergütungssystem verhindern derzeit, dass hochqualifizierte Ärzt*innen dort ankommen, wo sie gebraucht werden.

Damit medizinische Fachkompetenz nicht ungenutzt bleibt, braucht es langfristig bessere Rahmenbedingungen – etwa durch eine Reform des EBM, gezielte Förderanreize für Facharztstellen und mehr Planungssicherheit für niedergelassene Praxen. Denn Fachkräftemangel und ärztliche Arbeitslosigkeit sollten in einem System, das auf Versorgungssicherheit angewiesen ist, nicht parallel bestehen.

Facharzt Paradoxon

 

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